
Als Kristiane mich fragte, ob ich nicht einen Beitrag für ihr Happiness Projekt schreiben möchte und ich dann auch noch entdeckte, dass im Monat August die Themen Beziehung/Ehe/Partnerschaft anstehen, war ich sofort Feuer und Flamme. Herzlichen Dank für Deine Einladung, liebe Kristiane! Sehr gerne bin ich bei Deinem wirklich tollen Projekt dabei.
Sowohl als Mediatorin und Konfliktcoach aber auch als Privatmensch erlebe ich immer wieder, wie schnell in Partnerschaften Konflikte entstehen und wie stark die Betroffenen durch sie belastet sind. Dabei ist die Partnerschaft doch der Ort, an dem wir uns am meisten wünschen Rückhalt und Geborgenheit zu erfahren und Wohlbefinden zu erlangen.
Oft entzünden sich die Streitigkeiten an eigentlich recht kleinen Meinungsverschiedenheiten. Gegenseitige Schuldvorwürfe, das Kramen in der Vergangenheit und hochkochende Emotionen tun dann das Ihre, um die Situation eskalieren zu lassen. Magenschmerzen, Schlaflosigkeit und Kopfschmerzen sind dann sehr schnell die Folge.
Doch es muss nicht soweit kommen. Heute möchte ich Ihnen mal eine Methode an die Hand geben, wie man Meinungsverschiedenheiten für alle Beteiligten gut klären kann. Ich stelle Ihnen eine Technik vor, die in Mediationsverfahren ganz wichtig und essentiell ist: Nämlich das Fragen nach den Bedürfnissen – nach denen des Gegenübers und auch nach den eigenen.
Diejenigen, die meine Artikel bereits schon seit längerer Zeit verfolgen, wissen, dass ich das folgende Beispiel liebe, um zu erklären, wie das Prinzip mit den Bedürfnissen funktioniert. Streitgegenstand ist hier eine Orange – farblich passt das Ganze also schon mal super zu „think orange“ ;-).
Eine Mutter kommt in die Küche und sieht, dass ihre beiden Töchter um eine Orange streiten. Sie zetern, schreien und zerren an dem Objekt der Begierde. Die Mutter, die sich nicht anders zu helfen weiß, entreißt den Mädchen die Orange, teilt sie in zwei Hälften und gibt jedem Kind eine Hälfte. Missmutig und enttäuscht verlassen die Mädchen die Küche. Die Mutter versteht die Welt nicht mehr. Jetzt müssten doch Beide eigentlich zufrieden sein. Was hätte sie denn anderes tun können? Ganz einfach: Hätte sie gefragt, wozu die Mädchen jeweils die Orange benötigen, hätte sie erfahren, dass die eine Tochter die Orange benötigt hätte, um Saft zu pressen und die andere Tochter die Schale für einen Kuchen verwenden wollte. Es hätte also eine Lösung gegeben, die die Wünsche der Kinder umfassend erfüllt hätte – wenn man nur nach ihnen gefragt hätte.
In einem Mediationsverfahren nimmt das Erfragen und Erfahren der Bedürfnisse der einzelnen Beteiligten ganz viel Raum ein. Dadurch, dass das Gegenüber erfährt, warum dem anderen etwas so wichtig ist, lockern sich die Fronten oft stark auf und plötzlich ist man zu einem Entgegenkommen bereit.
Als Mediatorin muss ich an dieser Stelle genau nachfragen. Es reicht mir z.B. nicht aus, wenn ein frisch geschiedener Vater sagt: „Ich will meine Kinder jedes Wochenende sehen“. Ich frage dann weiter nach, frage etwa „Warum ist Ihnen das so wichtig, was würden Sie dadurch gewinnen?“ und erfahre dann Dinge wie „Ich möchte meiner Rolle als Vater optimal nachkommen können, möchte den engen Bezug zu meinen Kindern behalten, möchte für sie da sein usw.“
Es muss eine Lösung gefunden werden, die genau diese Bedürfnisse befriedigt. Dazu ist es aber nicht zwingend erforderlich, dass der Vater die Kinder jedes Wochenende sieht. Möglich wäre auch eine Regelung, bei der der Vater die Kinder alle vierzehn Tage zu sich nimmt und zusätzlich mehrere Wochen in den Ferien am Stück oder einen Tag unter der Woche. Wenn man erst einmal die Bedürfnisse kennt, kann man sich auf die Suche nach der optimalen Lösung begeben.
Doch was bedeutet das für Sie in Ihre Beziehungsalltag? Natürlich können Sie nicht wegen jedem Streit einen Mediator aufsuchen ;-). Wie wäre es denn mal damit, dieses Prinzip bei Ihren Streitigkeiten im Alltag anzuwenden und auszuprobieren?
Wenn Sie beispielsweise mit Ihrem Partner über das Ziel des nächsten Urlaubs streiten wäre dies eine gute Gelegenheit. Vielleicht wünscht sich Ihr Partner einen Kultur – und Städtetrip – Sie sehnen sich aber nach einem entspannenden Strandurlaub. Was können Sie dann tun? Wie wäre es, wenn Sie sich mal in Ruhe hinsetzen und gemeinsam aufschreiben, was Ihre Bedürfnisse in Sachen Urlaub sind. Fragen Sie Ihren Partner „Warum ist Dir der Städteurlaub so wichtig? Was wäre Dein Gewinn dabei?“
Bei Ihnen könnte auf der Liste der Bedürfnisse beispielsweise stehen: „Ruhe, Entspannung, Abschalten vom Alltag, Pflege der Beziehung oder ähnliches“. Möglicherweise lauten die Bedürfnisse Ihres Partners „Abenteuer, Neues erleben, usw.“. Wenn Sie erst einmal wissen, warum Ihr Partner so stur an seiner Position festhält und was ihm daran so wichtig ist, sind Sie auf dem Weg zu einer guten Lösung schon einen ganzen Schritt weiter.
Wenn Sie auf diese Weise die gegenseitigen Bedürfnisse kennengelernt und aufgeschrieben haben, ist es Zeit, kreativ zu werden. Sammeln Sie erst einmal alle Ideen und Lösungsmöglichkeiten, die Ihnen in den Kopf kommen. Welche Varianten fallen Ihnen in Bezug auf die Urlaubsplanung ein?
Schauen Sie dann in einem zweiten Schritt, welche der Lösungen die Bedürfnisse von Ihnen Beiden so gut wie möglich abdeckt. Vielleicht könnten Sie beispielsweise einen Urlaub in Städten wie in Nizza oder Barcelona verbringen, die sowohl Strand als auch Kultur vereinen und vor Ort auch häufiger mal getrennter Wege gehen. Oder Sie entscheiden sich bewusst mal für einen getrennten Urlaub. Oder aber Sie verbringen erst ein paar Tage am Strand und hängen dann noch drei Tage in einer Stadt daran …der Kreativität sind hier keine Grenzen gesetzt.
Im Prinzip lässt sich dieses „Verfahren“ auf alle Streitigkeiten anwenden. Ich weiß, das Ganze hört sich leichter an als getan. Wenn erst einmal die Emotionen hochgekocht sind, fällt es schwer, rational und vernünftig miteinander zu reden. Wie wäre es in diesem Fall, das Gespräch einfach mal um einen Tag zu vertragen und dann gemeinsam zu schauen, „Was sind unsere Bedürfnisse, was ist Dir und was ist mir an dem Thema besonders wichtig und wie können wir unsere Bedürfnisse in einer Lösung kombinieren?“
Ich wünsche Ihnen viel Erfolg und gute Lösungen und vergessen Sie nicht: Auch hier gilt das Prinzip „Übung macht den Meister“!
Herzlichst, Ihre Christina Wenz
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Christina Wenz ist Mediatorin, Juristin und Konfliktcoach.
Sie hilft Menschen dabei, in Streitsituationen friedliche Lösungen zu finden – Lösungen, bei denen man sich anschließend noch gut in die Augen schauen kann. Wenn du mehr über Mediation und einen guten Umgang mit Konflikten erfahren möchtest, schau doch einmal auf ihrem Blog vorbei. Hier kannst du ihre 15 kostenlosen Tipps für entspannteres Streiten herunterladen.
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